Ice Bucket Challenge - oder: Maaaaaan, wie mich das nervt


Ich habe mir gerade einen Eimer mit eiskaltem Wasser über den Kopf gekippt. Im Moment weiß wohl jeder, warum ich das getan habe, in ein paar Jahren werden sich alle nur noch dunkel an das derzeitige Social Media-Massenphänomen namens "Ice Bucket Challenge" erinnern, mittlerweile ein sehr polarisierendes "Event".

Eigentlich soll damit ja auf die Krankheit ALS aufmerksam gemacht und Spendengelder gesammelt werden. Aber ist das Ganze nicht mittlerweile gekippt? Kommt diese Aktion nicht nur der narzisstischen Menschheit entgegen, die sich auf Facebook und anderen Kanälen profilieren will? Ist es nicht unfassbar überheblich, dass wir eimerweise - im wahrsten Sinne - sauberes Trinkwasser vergeuden, während in Afrika Menschen verhungern und verdursten?? Was bilden sich die Leute, die mich nominiert haben, eigentlich ein, mich zu einer solchen peinlichen Aktion zu zwingen??? Darf ich nicht mehr selbstbestimmt für mich entscheiden, was ich tun will und was nicht???? Äh. Doch. Und bei der Gelegenheit können sich die, die gerade beim Lesen zustimmend genickt haben, direkt mal den Stock aus dem Gesäß ziehen.

"Da ist ja nicht mal Eis drin"

Gerade erschien in meinem Facebook-Newsfeed das Video einer Frau, die mit ernster Miene irgendwas davon erzählt, es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren zu können, sich einen Eimer Wasser über den Kopf zu schütten. Ihrer Meinung nach ist aus dem eigentlich ernsten Thema, alberner Spaß geworden. Meine Güte, ein Wassereimer. Es nominiert dich niemand zur Nierenspende. Ich finde es furchtbar anstrengend, wenn bei derartigen Aktionen, immer wieder Stimmen laut werden, die mit Zornesfalte auf der Stirn und erhobenen Zeigefinger, anderen den Spaß verderben. Denn wenn nicht das Gießen an sich kritisiert wird, dann zumindest, dass da "viel zu wenig Wasser im Eimer" war oder "noch nicht mal Eis."  

Mit Hilfe der Ice Bucket Challenge wurden innerhalb weniger Wochen über 94 Millionen Dollar (Stand: 27.8.2014) Spendengelder gesammelt, was ohne die Aufmerksamkeit im Social Media wohl niemals in so kurzer Zeit möglich gewesen wäre. Anstatt sich darüber zu freuen oder einfach den Mund zu halten, wird akribisch nach dem Haar in der Suppe gesucht und sich neben Wasserverschwendung und dem Selbstdarstellungsdrang anderer dolle darüber aufgeregt, dass jetzt aber die anderen bösen Krankheiten der Welt gar keine Aufmerksamkeit mehr und somit auch keine Spendengelder bekommen. 

Ich selbst habe noch nie etwas gespendet, höchstens Klimpergeld oder Pfandflaschen an einen Obdachlosen. Ansonsten gehe ich immer schnurstracks, ohne eine Miene zu verziehen, an den organisierten Spendensammlern vorbei und vermeide gekonnt jeden Blickkontakt - einfach aus dem Grund, weil mir mein meistens nur 3-stelliger Kontostand es nicht erlaubt hat mal großzügig zu sein. Durch die Veröffentlichung des Eiswassereimer-Videos, habe ich gespendet, denn... wer will schon öffentlich lügen? Und ganz bestimmt haben mir das viele andere gleich getan und haben sich nicht nur aus Geltungsdrang das Wasser über den Kopf geschüttet. 

Ein Barbie Haus als Inbegriff des Sexismus?


Über Ähnliches musste ich mich vor ein paar Monaten aufregen, als für kurze Zeit ein lebensgroßes Barbie-Dreamhouse in der Nähe des Alexanderplatzes errichtet wurde. Dort drin gab es eine multimediale Barbieausstellung, lebensgroße Wohnbereiche und natürlich abertausende Barbiekleider zu bewundern. Für die Einen der Traum eines jeden Mädchens, für die Anderen der Inbegriff von Sexismus und Frauenfeindlichkeit. Hä? Hab ich was verpasst? Ja, Barbie ist sehr dünn und blond, aber auch ein Spielzeug, mit dem ich sehr gerne gespielt habe, während ich Schokoriegel, Eis und Gummibärchen in mich reingestopft habe. Ich glaube, dass ich als Kind nicht mal gemerkt habe, das Barbie übertrieben dünn ist und ich nicht einen Gedanken daran verschwendet habe, auch so aussehen zu wollen. Darauf kam und kommt es einfach nicht an. Ich habe meiner Barbie eine tolle Wohnung eingerichtet, in der sie mit einem muskulösen, aber auch liebevollen Ken (der sich irgendwann leider durch einen Unfall seinen Arm irreversibel ausgekugelt hat), ihren zwei Kindern und den Bobtails lebte. Barbie hatte einen tollen Job, war erfolgreich und hatte wunderschöne Outfits. Alle, die darin nur Sexismus sehen, haben noch nie ernsthaft mit Barbie gespielt, sondern wahrscheinlich nur mit biologisch abbaubaren Holzbausteinen, Murmeln (Vorsicht! Verschluckgefahr!) und realitätsnahen Leinenstoffpuppen mit Migrationshintergrund. Außerdem ist auch der Fakt nicht zu verachten, dass Mädchen nicht nur einzig von Barbie erzogen werden, sondern ihre Eltern da auch noch ein Wörtchen mitzureden haben. Sollten sich Kinder so sehr von ihrem Spielzeug beeinflussen lassen, dass sie anfangen sich den Finger in den Hals zu stecken, dann ist da wohl noch einiges mehr schief gelaufen. Ähnliches gilt auch für die sogenannten "Ballerspiele", aber damit fange ich jetzt gar nicht erst an. 

So gehen die Gauchos


Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich mag Gemeinschaftsgefühl. Deswegen mag ich auch Musicals und FlashMobs, weil da alle so schön zusammen tanzen und singen. Ist das nicht auch der Grund, warum man zum Beispiel bei der WM zum public viewing geht und die Fähnchen ans Auto hängt? Und während sich der Großteil der Deutschen über den langerwarteten WM-Sieg der Nationalmannschaft freut, sitzt der schlechtgelaunte Miesepeter irgendwo, wo er bitte nichts von diesem "Radau" mitbekommt und sich ungestört über den seit Wochen vorherrschenden Fake-Nationalstolz ärgern kann. Anschließend wird noch bitterböse über die peinliche Siegesfeier gebrabbelt - Stichwort "Gauchos". 
Ich hingegen werde wohl noch lange an den Abend im Pub und die sieben unglaublichen Momente zurück denken, in denen ich mich langsam, aber sicher in einer großen "Versteckte Kamera" World Wide Edition glaubte. Ich bin kein großer Fußball-Fan, auch kein saisonaler, aber dieser Abend war trotzdem besonders. Nicht zuletzt wegen meiner kurzzeitigen, wenn auch irrealen, Fähigkeit des Hellsehens. Circa 10 Sekunden vor dem nächsten Tor vernahm ich ein kaum spürbares Brodeln und Vibrieren, schaute dann ungläubig auf die Leinwand und sah wenige Momente später tatsächlich ein Tor.  Das passierte, wir erinnern uns FAST alle, 4 mal direkt nacheinander. Das Brodeln kam vom Public Viewing aus der Bar die Straße runter, die Dank Kabelfernsehen schon etwas früher jubeln konnten. Alle, die man anschließend aus Bars torkeln oder in der U-Bahn erschöpft Heim fahren sah, konnten an diesem Abend etwas aufregendes in ihr Tagebuch schreiben und viele werden wohl noch ihren Enkelkindern vom 7:1 berichten, so wie Millionen andere WM-Zuschauer weltweit. 

Genauso ist es doch jetzt auch mit der #icebucketchallenge und ich freue mich, dass ich jetzt etwas mit Leonardo DiCaprio und Justin Timberlake gemeinsam habe...oh, ich muss direkt mal schauen, ob sich auch Zac Efron schon mit Wasser übergossen hat....jaaaa, hat er natürlich. Es ist doch viel schöner, sich durch etwas Positives in irgendeiner Art verbunden zu fühlen, als durch gemeinsamen Hass.

Negative Vibrations

Diese Negativität, die manche Mitmenschen scheinbar bis zur Oberkante Unterlippe stehen haben, begegnet mir leider oft im Alltag und scheint bei den meisten nur wenig Anlass zu benötigen, um überzuschwappen. Das beginnt manchmal schon morgens auf dem Weg zur Arbeit. Ich stehe an der Straße und warte darauf, sie zu überqueren. Ein Radfahrer kommt schnellen Trittes angefahren, ein Autofahrer will abbiegen und sieht den Radfahrer scheinbar zu spät. Sei's drum wer "Schuld hat", auf jeden Fall müssen beide überraschend bremsen und geben danach die Top 3 ihrer Lieblingsschimpfworte zum Besten. Ich stehe als unbeteiligter Augenzeuge daneben und kriege die ganze negative Energie ab. Somit haben wir alle drei einen scheiß Start in den Tag.

Selbe Stelle, anderer Morgen. Ich will wieder die Straße überqueren und neben mir ist eine Radfahrerin, die, wie ich vermute, nach links abbiegen will, aber dann doch nach rechts fährt, was bedeutet, dass wir fast kollidieren. Ich sage: "Huch." Sie sagt: "Oh, Entschuldigung, ich hab Sie gar nicht gesehen." Ich sage: "Ich dachte, Sie wollen nach links. Sorry." Sie: "Entschuldigung. Schönen Tag noch." Bam! Der Tag beginnt mit einer netten Unterhaltung unter Fremden. Mit freundlichen Worten ist allen so viel mehr geholfen, als mit einer schroffen "Alle sind doof"- Einstellung. 

Ich bin mir der Ironie bewusst, dass ich mich mit diesem Blogeintrag negativ über diejenigen äußere, die sich immer negativ äußern. Ich gebe damit aber gerne einen Denkanstoß nicht immer alles direkt zu politisieren, zu ernst zu nehmen oder allgemein alles was Mainstream ist, erstmal doof zu finden. Das kann man schon mal üben, denn das wird in unserer medialen Gesellschaft mit der Zeit sicherlich nicht einfacher. 
Falls mein Geschriebenes auf taube Ohren getroffen ist, bin ich zumindest meinen persönlichen Frust losgeworden, der durch die Reaktionen auf die #icebucketchallenge resultierte und sich noch vom Barbiehaus angestaut hatte. 

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German Horror Story - oder: Eiskalte Riesenpranke


Horror-Filme haben mich sehr geprägt. Von meinen frühen Teenager-Jahren bis zur Volljährigkeit habe ich den Horror-Film-Boom mit großem Spaß an der Freude mitgemacht. Ich habe sie alle drölf Mal gesehen: "Scream" 1-3, "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast" 1 und 2, "The Ring" 1 und 2 und all die zahllosen anderen Filme mit blassen Kindern in den Hauptrollen. Das machte mir in dieser Zeit nichts aus. Davor und danach allerdings umso mehr.

Mehrere Jahre meiner Kindheit schlief ich mit offener Tür zum erleuchteten Wohnzimmer. Alles begann eines Abends im Jahre 1990. Ich war 5 Jahre alt und lag bereits im Bett, da ertönten aus dem Wohnzimmer mir bekannte Klänge: "It's close to midnight and something evil's lurking in the daa-aark." Meine Schwester und ich tippelten ins Wohnzimmer und sahen auf dem Röhrenfernseher mindestens zwanzig Zombies, die perfekt choreographiert ihren Gräbern entstiegen. Einem fiel dabei sogar der Arm ab. Dieser Anblick hat mich wohl zutiefst beeindruckt, sodass ich mich noch heute sehr gut daran erinnern kann und anschließend ein ziemlich großer Michael Jackson-Fan wurde.

Mit meiner Angst vor Geistern und Gespenstern wuchs simultan auch eine gewisse Begeisterung für sie. Ich konnte das Thema also nicht einfach aus meinem Weltbild verbannen und nicht mehr daran denken. Eher entstand in mir ein Perpetuum mobile, in welchem sich die Furcht und Faszination fürs Übersinnliche, immer wieder gegenseitig befeuern. 

Mein Vater besaß damals (heute besitze ich sie bezeichnenderweise) die Buchreihe "Die Welt des Unerklärlichen", bestehend aus 10 kleinen Büchern über Ufos, Geister und andere rätselhafte Phänomene. Immer wieder machte ich den Fehler und stibitze heimlich eines der Bücher, um darin zu blättern. Allein die Bilder bereiteten mir Albträume, und die waren es hauptsächlich, die ich mir anschaute. Nicht auszudenken, ich hätte damals auch den erklärenden Text drum herum gelesen. Wahrscheinlich hätte dann das Schlafen bei Licht nicht mehr ausgereicht und ich hätte meine Nächte von nun an in der Ritze zwischen meinen Eltern im Ehebett verbracht. 


Weihnachten 1998 bekam ich das aktuelle Guinness-Buch der Rekorde geschenkt. Die Seiten mit den Rekorden, die Menschen aufgrund ihrer körperlichen Veranlagung oder Fähigkeiten aufgestellt hatten, interessierten mich am meisten. Wenn Schrift pro Lesevorgang immer mehr verblassen würde, stünde auf diesen Seiten schon lange nichts mehr. Besonders ein Mann und sein Rekord hatten es mir angetan - sowohl im positiven, als auch negativen Sinne:

Robert Wadlow war der größte Mann der Welt. Er starb im Jahr 1940 im Alter von 22 Jahren und mit einer Körpergröße von 2,72m. Auf Abbildungen neben seinem rekordbringenden Eckdaten sah man ihn neben normalgroßen Menschen stehen und ich konnte nicht umher, ihn mir in allen möglichen und für ihn unmöglichen Situationen auszumalen. Was muss der für ein riesiges Bett gehabt haben? Wie hoch hing sein Klo und wenn es ein normales war, wie saß er darauf? Das, woran wir gerade alle denken, habe ich mir natürlich nicht vorgestellt, sondern hoffte für die damaligen Frauen in seiner Umgebung, dass er bis zum Ende seiner Tage Jungfrau blieb. 
Diese alten Schwarzweiß-Aufnahmen und sein sonderbares Aussehen, gepaart mit meinem ausgeprägten "Übersinn", machten den Gruselfaktor perfekt. Von nun an, ließ mich die Vorstellung, Robert Wadlows Geist würde mich zu nachtschlafender Stunde besuchen, nicht mehr los und mich bei jedem kleinen Geräusch in meinem Zimmer aufschrecken. Die Tatsache, dass ich damals in einem Hochbett circa 3 Meter über dem Boden schlief, macht diese Vorstellung eigentlich nur noch schlimmer. Auf Zehenspitzen wäre es Robert wahrscheinlich tatsächlich gut möglich gewesen, mir posthum mit seiner Riesenhand die Decke wegzuziehen.


Robert Wadlow ist der Dritte von rechts. 

Heute, mit fast 30, bedient sich meine blühende Fantasie an einem Potpourri aus Filmen und Serien jedweden Genres, tagesaktuellen Ereignissen und banalem Schwachsinn. 

Wenn ich an einem ganz normalen Tag über die Stufen der U-Bahn den Alexanderplatz betrete, entsteht in meinem Kopf die Exposition eines Action-Dramas. Szenenartig sehe ich lachende Touristengruppen, Kinderwagen schiebende Frauen und Teenager mit Einkaufstüten, die aufgedreht gestikulieren. Bestenfalls spielt ein Straßenmusiker eine fröhliche, wenngleich unschuldige Hintergrundmusik. Im Film würde jeden Moment eine Bombe hochgehen, ein Amokläufer um sich schießen oder ein Flugzeug in die Szenerie krachen. Das alles passiert in meinem Kopfkino und ich merke mir schon mal die Gesichter der Leute, mit denen ich die nächsten 90 Minuten, irgendwo eingeklemmt/eingesperrt/versteckt um mein Leben hoffen und bangen muss. Im echten Leben gehe ich einfach an den vielen Komparsen vorbei, verschwinde in der Galeria Kaufhof und kaufe überteuertes Make-up (was aber leider so gut ist, dass ich es immer wieder nachkaufe).

Im Alltag zeigen sich diese "Was wäre wenn?"- Visionen gleich am Morgen auf dem Weg zur Arbeit. "Was wäre wenn, mein Handy beim Verlassen der U-Bahn in die Lücke zwischen Zug und Bahnsteigkante fällt?" You know, the gap between platform and train, vor der sogar die Ansage im Zug warnt. Deshalb ist es schon zum Reflex geworden mein Handy in diesem Moment besonders fest in der Hand zu halten, sodass mir auch kein Schuppser das Handy aus der Hand schlägt. 

Natürlich gibt es auch die gängigen Situationen, die finaldestinationesque vor dem inneren Auge ablaufen: Was wäre wenn......ich vor die Bahn geschubst würde, ich mit dem Schuh in den Straßenbahnschienen stecken bleibe, ich stolpere und mir am Geländer die Zähne ausschlage und dem fiesesten: sich mein Finger versehentlich gänzlich in die falsche Richtung umklappt? Ist schon ganz schön anstrengend, dieses viele, unschöne Nachgedenke. 

Die Geister, die ich rief, bin ich einigermaßen losgeworden, aber nur weil ich abends meistens so müde bin, dass ich gar nicht dazu komme, sie zurück in meinen Kopf zu lassen. Der dicke Panzer aus Selbstdisziplin gegenüber angstbringenden Gedanken tut sein Übriges. Ich könnte mir aber vorstellen, dass ich in der richtigen Verfassung nachts beim Zappen, beispielsweise beim "Blair Witch Projekt" hängen bleiben würde...bis zum bitteren Ende, an dem die Kamera zu Boden fällt. Vermutlich müsste ich anschließend das Licht einschalten und eine Wohnungsbegehung machen, bei der ich jeden Winkel und jede Ecke nach eventuellen Eindringlingen, tot oder lebendig, inspiziere. Danach die Wohnungstür checken und vorsichtshalber den Schlüssel noch einmal im Schloss umdrehen. Um die verwirrten Gedanken beim Einschlafversuch nicht zu sehr auf Wanderschaft gehen zu lassen, werden sie durch eine Folge Bibi Blocksberg abgelenkt und auf die richtige Fährte gelockt. Wenn ich dann zum Geräusch von Bibis Gelenkus-Knackus sanft eingeschlafen bin, bleibt nur zu hoffen, dass mich das Hochklacken der Kassette nicht wieder aufschrecken und unweigerlich vermuten lässt: Robert Wadlow ist zurück.  





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The Private Cubicle - oder: Die Gewinnerin darf Pipi


Aah. Mal kurz abschalten. Alleine sein. Die Ruhe genießen. Wo kann man das besser als auf dem stillen Örtchen? Besonders bei der Arbeit lasse ich hier keine Hektik aufkommen und gönne meinen Augen eine Auszeit vom flimmernden Bildschirm. Diese Alleinzeit auf dem Thron lässt sich hervorragend zum Sinnieren nutzen. Ich durfte in der Vergangenheit schon häufiger feststellen, dass dieser undekorierte, einfache, kleine Raum mein präferierter Ort zum Nachdenken und Entscheidungen treffen geworden ist.

Es ist mir nicht erst einmal passiert, dass ich ganz verwirrt und mit Gedankenchaos im Kopf aufs WC gegangen bin und es mit in Ordner gehefteten Gedanken und einem Plan wieder verlassen habe. Natürlich muss es ein einigermaßen hygienisches Klosett sein und mich darf dort nichts ablenken. Sobald da Werbung hängt, wie im Kino oder Restaurants, wirds schon schwieriger. Wer also einen wichtigen Entschluss fassen muss oder ein kreatives Black-Out hat, der lasse sich einfach mal ein bisschen mehr Zeit auf dem stillen Örtchen.

Diese Erkenntnis überkam mich wohl an einem der vielen Male, an denen ich unverrichteter Dinge so da saß und nichts passierte. Ich habe das, was man im Volksmund wahrscheinlich am ehesten als "Pinkel-Blockade" bezeichnet. Sobald sich jemand in der Nachbarkabine befindet, oder noch schlimmer, vor der Tür wartet, weil es nur eine Toilette gibt, kann ich einfach nicht. So doll ich auch muss. Um niemanden zu enttäuschen, tu ich dann meistens so als ob, und verlasse die Toilette ganz und gar unerleichtert. Sind mehrere Kabinen da, warte ich meistens einfach so lange, bis die Luft am öffentlichen Örtchen wieder rein ist. Da kenn ich nichts. Wenn diese Herangehensweise aufgrund der großen Anzahl der Kabinen und einer hohen Mitmüsserinnen-Dichte mehrere Stunden dauern würde, passe ich den rechten Moment ab, in dem mehrere Damen gleichzeitig Spülung und Handfön betätigen und sich am besten noch laut unterhalten. Und dann läufts auch.

Ganz schlimm ist folgendes Szenario, welches ich bis zur Perfektion zu vermeiden gelernt habe: Man ist mit Freunden bei Freunden und will anschließend noch gemeinsam an einen beliebigen Ort. Alle haben sich schon im Flur eingefunden und ziehen Jacke und Schuhe an. Fiele mir in dieser Situation ein, dass ich eigentlich nochmal müsste, was es nicht tut, denn ich war natürlich schon 3 Mal, während alle auf dem Balkon rauchen waren oder gerade laute Musik lief, aber sollte dennoch plötzlich der Cocktail oder die große Cola schon wieder ordentlich in der Blase drücken, ignoriere ich diesen Umstand gekonnt und rigoros. Auch wenn die nächste Toilette erst nach 30 Minuten Bahnfahrt und circa 10 Minuten Anstehen wieder in greifbare Nähe rückt - würde ich in diesem Moment tatsächlich in Erwägung ziehen nochmal aufs Klo zu gehen, mit der wartenden und dann meist mucksmäuschenstillen Meute vor der Tür, ich würde mich selbst belügen.

Die Blockade nimmt nicht nur mit wachsender Zuhörerschaft, sondern auch mit steigender Unhygiene zu. In öffentlichen Toiletten gehört es ja quasi zum guten Ton, entweder die Klobrille mit einer dicken Toilettenpapierschicht auszulegen oder das kleine Geschäft im sogenannten "Frosch" zu verrichten, zu dem ich jedoch nicht "im Stande" bin. Nach meinen Erfahrungswerten ist letzterer wohl dennoch sehr beliebt. Die Entscheidung, welche Variante es diesmal sein darf, trifft sich meistens bereits von selbst, zumal viele Autobahnraststättentoiletten häufig gänzlich, sowohl auf Klobrillen, als auch Klopapier verzichten. Vor der Frage des "Wie?", stellt sich deshalb zunächst einmal die Frage des "Wo?" Welche von den dreien ist die am wenigsten eklige Kabine? Manchmal kommt man richtig ins Staunen, welcher Anblick sich dort so manches Mal bietet und mir schießt dann unweigerlich in den Kopf, dass eine Frau den Ort so verlassen haben muss.
Wie passiert sowas? Ich will ungern ins Detail gehen, aber dachte sich die Frau letztens im Tropical Islands der volle Tampon, den sie auf dem Boden fallen lassen hat, tritt sich fest oder hat sie vielleicht gar nicht erst gemerkt, dass er ihr abhandengekommen ist? Vielleicht war sie auch gar ganz etepetete und wollte sich mit sowas die Finger nicht schmutzig machen. "Dafür gibt's schließlich Personal", und "der Eintritt war schon teuer genug."
Wegen solcher und ähnlicher Vorkommnisse ist meine Handtasche auch immer ausreichend mir Desinfektionstüchern ausgestattet. Die hatte ich im Sauna-Bereich leider nicht dabei, weswegen ich mich per optischem Auswahlverfahren für die saubere Kabine 4 entschieden habe. 

Ich kann ja verstehen, wenn Toiletten in Bars und Clubs nicht ganz hygienisch bleiben können, sobald der Alkohol die Treffsicherheit und Orientierung negativ beeinflusst hat. Im nüchternen Zustand aber sollte eigentlich Jede in der Lage sein, sich einfach wie zu Hause hinzusetzen und ohne "Kleckern" für kleine Mädchen zu gehen. Der Haken an der Sache ist: Sobald das Eine nicht tut, können es alle Nachfolgenden auch nicht.

An dieser Stelle muss ich leider zugeben, dass auch ich mal eine Toilette unbrauchbar hinterlassen habe. Nachdem ich bereits fertig war und alles ordentlich hinterlassen habe, wollte ich die lose Klopapierrolle wieder an ihren Platz stellen. Leider kam ich irgendwie ins Straucheln und jonglierte gefühlt minutenlang mit der vollen Rolle, wie mit einer heißen Kartoffel. Entgegen meiner Hoffnungen landete die Rolle dann doch im Klo und ich konnte dabei zu sehen, wie sie sich langsam vollsog. Diverse Klorollen-Rettungs-Szenarien schossen mir durch den Kopf, aber Zange und Eimer waren gerade nicht zur Hand. Also habe ich möglichst unauffällig den Ort des Geschehens verlassen...musste aber noch sehr lange mit einem schlechten Gewissen an das Erlebnis denken.

Wo ich gerade so aus dem Nähkästchen plaudere, möchte ich mir noch die Geschichte der schlimmsten Toilette aller Zeiten von der Seele reden. Es war einmal in Florenz, hoch auf dem Berg an der Basilika San Miniato al Monte (extra ergoogelt). Nach einem tollen Picknick mit bester Aussicht auf die Stadt, musste ich mal und traute meinen Augen kaum als eben diese dort oben, am höchsten Ort der Stadt, das Toilettenzeichen erspähten. Als ich den Raum betrat, entpuppte sich das WC leider als dreckiges Loch im Boden. Meine Freude war schlagartig weg. Ich hab's wirklich versucht, aber nach circa 5 Minuten mit angehaltener Luft und eingeschlafenen Beinen über diesem Loch hockend, musste ich aufgeben. Seitdem weiß ich, dass ich noch ziemlich lange aushalten kann. Die nächste Toilette gab es dann erst nach 45 Minuten Fußmarsch in einem Restaurant im Tal. Wo kam mir wohl die Idee zu diesem Blog? Da war ich doch mal wieder kreativ hier. Blog-Post ist fertig, jetzt fehlt eigentlich nur noch eins. Eigentlich kann mich nichts mehr davon abhalten, da höre ich energische Schritte. Klack, Klack, Klack, Knall. Jetzt ist jemand in der Nachbarkabine. Wusch, ratsch, schhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh. Sie muss bereits während des Hinsetzens die Blase entspannt und somit das Auftreffen der Oberschenkel auf der Klobrille mit dem Lospinkeln synchronisiert haben. Bloß keine Zeit verlieren. Pupsen. Abwischen, Hosen hoch, spülen, Klack, Klack, Hände waschen, fertig. Ich sitze ganz perplex da, mit meinem schon vorgefalteten Toilettenpapier in der Hand und starre auf die blaue Kabinenwand, die uns gerade noch trennte. Die hat keine Pinkel-Blockade.

Solche "Begegnungen" hab ich ständig, aber ich sehe nie, wer hinter einem solchen 3 Sekunden-Niagara-Strahl steckt. Nach so einer sanitären Bloßstellung muss ich mich besonders konzentrieren und wende meine patentierte Atemtechnik an, um gleich auch erfolgreich das Örtchen des Geschehens verlassen zu können.

Aber was beschwer ich mich über eine solche Toiletten-Fluktuation? Damen von der schnellen Sorte muss es auch geben. Wären alle wie ich, würden drei Frauen minutenlang stumm in ihren Kabinen ausharren und abwarten bis die Erste aufgibt und die Zweite nachzieht. Die Gewinnerin darf dann Pipi. 

(Ja. Ich habe für diesen Text Synonyme für das Wort "Toilette" ergoogelt und konsequent benutzt.)


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This is automatic - oder: Der beckenschlagende Affe


Manchmal sitze ich bei der Arbeit am Computer, analysiere die Implementierung visueller Methodiken für eine progressive Klientenrezeption, absolviere die Assimilation der Farbbereiche der zu veräußernden Produkte oder eruiere nur ganz banal die Lokation meines heutigen Déjeuners und denke dabei: 
„Fiderallala Fiderallala Fideralla lalala". 

Wo bitte hab ich das jetzt schon wieder aufgeschnappt und warum werde ich es nicht mehr los? Für Ohrwürmer scheine ich sehr empfänglich zu sein. Ein falsches Wort, eine vage Melodie oder gar ein Geräusch - eins ist sicher: Mein Gehirn bleibt daran hängen und macht sich im großen Archiv für Kompositionen jedweder Art auf die Suche nach dem passenden Musikstück, welches mich im Folgenden für mehrere Stunden durch den Tag begleiten wird.  

Life is Life

 

Mittlerweile habe ich es mir zur Aufgabe gemacht minutiös zurück zu verfolgen, woher das fragliche Liedgut diesmal stammt. Nicht immer liegt die Lösung so klar auf der Hand, wie nach einem Treffen mit Leif ("Nana nanana"). Erst vor zwei Wochen im Urlaub hatte ich eine besonders harte Nuss zu knacken. Ein außergewöhnlich hartnäckiges musikalisches Meisterwerk ließ mich nicht mehr los. Und so konstruiere ich als Ermittlerin den Fall:

Ich habe an besagtem Tage mehrere Stunden im Auto verbracht und hörte alle halbe Stunde die Nachrichten des hiesigen Radiosenders. In sorgsamer Regelmäßigkeit gelangte auf diese Weise das Wort "Lampedusa" an mein Ohr und bahnte sich seinen Weg in mein Hirn. Andere Menschen mögen Fakten und nützliche Informationen für das nächste ernsthafte Gespräch aus den Radionachrichten mitnehmen. Was bei mir davon hängen geblieben ist, geht ungefähr so: „Aaaauf einem Baum ein Kuuuuckuck.
Simsalabim bambasala dusala dim, aaauf einem Baum ein Kuckuck saß.“ Tatsächlich musste ich später bei meiner Begleitung nachfragen, was da eigentlich in Lampedusa passiert ist und kam mir bereits beim Stellen dieser Frage vor wie Homer Simpson mit seinem beckenschlagenden Affen im Kopf. Wenn schon die zwei Silben „dusa“ einen Ohrwurm in mir auslösen, gelte ich unter Fachärzten sicherlich schon als stark geschädigt. Bestimmt schon Stufe 3, wenn nicht gar 4.


Wild thing

Gut, dass niemand mithören kann, welche absurden Schädelplatten da teilweise in meinem Kopf aufgelegt werden. (Sorry, der war schlecht, aber musste sein) Obwohl ich manchmal schon gern wüsste, welches Lied der ein oder andere Mitmensch gerade intern trällert. Was wäre das für ein Lärm im Wartezimmer, wenn jeder seinen Ohrwurm laut vor sich hersingen würde. Oftmals nur eine Zeile, weil irgendwie kennt man nur die. „Atemlos! Durch die Nacht. Nanana nanana.“  Und wenn’s ganz Dicke kommt, summt man auch die Instrumente mit. 

Einer meiner häufigsten Ohrwürmer ist „Wild Thing“ von The Troggs. Mein Geschirrspüler macht beim Schließen genau das Geräusch mit dem „Wild Thing“ anfängt. Der Ohrwurm hält aber nur bis "you make my heart sing" und wird dann direkt vom nächsten abgelöst. Sobald ich den Geschirrspüler einschalte und das Programm „Automatic“ anwähle, mittlerweile reicht auch schon der Blick auf den Knopf, drückt jemand in meinem Kopf auf die Play-Taste (wahrscheinlich der Affe, der dafür kurz die Becken aus der Hand gelegt hat)

„This is automatic
Got no doubt about it
My mind is over matter
Can't get any better

And we know this is magic,
Nanananananana
Lalala bibabuda
Lalala Bliblablu blabla
Boombox.”
(Beatsteaks)

Bei genauerer Betrachtung werde ich von Experten sicher schon in den unheilbaren Schweregrad 5 eingestuft. 

Inzwischen bin ich dazu übergegangen, die Trigger besonders hartnäckiger Ohrwürmer zu meiden. So räuspere ich mich, wenn ich den Geschirrspüler schließe und wähle blind das Waschprogramm aus. Wehe dem, der kurz vor Feierabend das Wort „Feierabend“ in den Mund nimmt.  Auch wenn es keiner sagt, denke ich das Wort meistens doch und unweigerlich erwische ich mich nach ein paar Minuten, wie ich die „Pommersche aus dem Buchenrauch“ besinge und leicht hin- und her schunkel.  

Girl I want to make you sweat

 

Musik ist aber auch ein gemeines, aber feines Etwas. Ein schlichtes "Alalalalalong" reicht und wir stehen wieder auf der Tanzfläche der Kinderdisco und haben das Bedürfis uns noch eine Kaugummikugel in den Mund zu stecken, weil aus den anderen fünf schon der ganze Geschmack rausgekaut ist. Ich bekomme jedes Mal eine Gänsehaut, wenn Juli von der "Geilen Zeit" singt, die ich vor mittlerweile 10 Jahren mit den anderen Abiturienten im Kreis hüpfend erlebt habe. Wir halten also fest: Ohrwürmer verbinden. Manchmal ohne, dass man es merkt. Man ist mit dem Auserwählten im Auto unterwegs, dorthin, wo es schön ist, man geht spazieren, schlendert über den Flohmarkt, bis man letztendlich auf der Wiese im Park liegt, die bessere Hälfte sich zu einem dreht, tief in die Augen schaut und aus dem Nichts verlauten lässt: "Club Tropicana drinks are freeeeeeeeeeeee“. Mit purer Verblüffung schmilzt man dahin und stellt fest, dass man das auch gerade gedacht hat. Nach diesem Vorfall weiß man, dass man tatsächlich seinen Seelenverwandten gefunden hat...oder das Lied kam halt vorhin als letztes im Autoradio. Wer kann das jetzt schon noch nachprüfen?

Wer weiß, vielleicht ist das viele Gesinge im Kopf auch für irgendwas gut. Irgendwo hab ich mal gehört, dass Summen Stress vermeidet. Vielleicht trainiert es auch das Gehirn und schützt vor Demenz. Wenn das so ist, dann hat das Lesen dieses Blogs etwas für eure Gesundheit getan, denn ich könnte mir vorstellen, dass ihr euch in ein paar Minuten erwischt, wie ihr irgendwas eben Gelesenes vor euch her summt. Euer Hirn wird schon unterschwellig ein schönes Liedchen für den restlichen Tag auserkoren haben. Viel Spaß damit, ich mach jetzt Feierabend…wie das duftet, kräftig, deftig, würzig, gut. Pommersche aus dem Buchenrauch, naturgewürzt und das schmeckt man auch. Pommersche aus dem Buchenrauch, frisch auf den Tisch so ist's der Brauch.

EDIT: Das war ein Eigentor.

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