Awkward Silence - oder: Na, auch Feierabend?


Ich muss heute alleine Pause machen. Die anderen haben entweder Urlaub, essen auswärts oder arbeiten die Pause durch, um früher gehen zu können. Deshalb sitze ich alleine im Pausenraum, esse Nudeln und beschäftige mich mit meinem Handy. Jetzt ärgere ich mich ein bisschen, dass ich gestern Abend extra noch vorgekocht habe. Aber eigentlich auch nicht. Die anderen sind zum Veganer gegangen. Da hätte ich eh nichts gefunden und teuer ist's da sicher auch. Sagt man das eigentlich so? Zum Veganer? Als sei es eine Landesbezeichnung.
Bis eben saß und aß eine Kollegin aus einer anderen Abteilung am Nebentisch. Wir haben uns kurz nett angelächelt. Danach blätterte sie weiter in einer Zeitung und ich widmete mich Level 339 bei Candy Crush. Wir kennen uns nur vom Sehen, ich weiß nicht mal wie sie heißt. Das ist gut. Das ist der schmale Grat zur "awkward silence". Sobald man sich nur ein klein bisschen besser kennt, fühlt man sich in einer solchen Situation irgendwie gezwungen sich dazu zu setzen oder zumindest über die Tische hinweg ein Gespräch anzufangen. Das peinliche Schweigen wird ansonsten unerträglich. Aber das, was man stattdessen macht, ist eigentlich auch nicht viel besser. Smalltalk. Das Wetter ist komisch. Ich war letzte Woche im Urlaub. Das muss dann für die nächsten Minuten als Gesprächsstoff herhalten.

Bis einer von beiden endlich aufgegessen hat, tut man also so, als würde es einen interessieren, wo das Gegenüber den Urlaub verbracht hat, verbringt oder gern verbrächte. Als hätte er mein Selfie vorm Eiffelturm nicht schon längst bei Facebook gesehen. Mit einem "So, ich muss dann mal wieder." ist der Pausen-Smalltalk offiziell beendet und die Wege trennen sich.

Gerade kommt jemand rein und holt sich einen Kaffee. Status: Facebook-Freunde, aber im echten Leben vielleicht 5-mal miteinander geredet. Da reicht ein "Hallo". Weil ich gerade kaue und schon eine Weile nichts mehr gesagt habe, kommt ein, naja, nennen wir es Geräusch, anstatt einer Begrüßung aus mir raus. Das Geräusch steht jetzt im Raum und hallt nach. Ich würde mich gern nachträglich räuspern und es nochmal sagen, aber geht nicht. Es erfüllt mittlerweile den ganzen Pausenraum mit einer "awkward silence after weird sound"-Atmosphäre. Erst als der Getränkeautomat zur Kühlung anspringt, der Kollege und sein Kaffee sind längst weg, wird das Geräusch in meinem Kopf abgelöst. 

Nicht nur im Pausenraum bei der Arbeit, sondern auch in der Bahn auf dem Weg zur Arbeit, kommt es zu solchen Begegnungen. Während ich auf dem Hinweg gekonnt Blicke vermeide und mich in Buch oder Handy vertiefe, passiert es nach Feierabend manchmal, dass sich ein Smalltalk-Kollege auf dem Bahnsteig zu mir gesellt, ganz nach dem Motto: "Na, auch Feierabend?" Das Gespräch startet dann wie nach einem Leitfaden beim Wetter und schlägt gekonnt über die Sommerbräune den Bogen zum ergiebigen Thema Urlaub....und schon geht das Ganze von vorne los.

Ach, wie lustig, er muss auch Umsteigen. Klar, dann fahren wir einfach noch weiter zusammen nach Hause. Am besten fragt man an dieser Stelle, wo der Gesprächspartner denn endlich aussteigen wird, damit man grob weiß, wie viele Themen man sich noch aus den Fingern saugen muss. Irgendwann kommt sie aber sicher. Die Bahn-Smalltalk-Abschiedsfloskel. Oft gehört. Oft selbst gesagt, aber mittlerweile abgewöhnt, denn sie hat ihre Tücken. Nach dem obligatorischen: "Hier muss ich raus." sagt in 90% der Fälle ein Smalltalker zum anderen Smalltalker: 

"Na dann, bis Montag (oder beliebiger anderer Werktag)!" Nicht zu selten folgt darauf ein: "Nein, ich hab nächste Woche Urlaub." - "Ach wie schön, viel Spaß." - "Dann also bis Montag in einer Woche. Tschüühüüß." - "Achso, nee da bin ich dann in der anderen Filiale.", ...und dann geht die Tür zu.

Das ist dann das Gegenteil von awkward silence. Das ist awkward "kein Ende finden und immer wieder was Neues sagen, obwohl es doch schon gut gewesen wäre, aber man will das noch richtig stellen, weil sich der andere sonst wundert, wenn man Montag nicht da ist und sowieso hätte man doch eigentlich lieber gelesen."

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