Für die Selbstständigkeit
braucht es einen Businessplan. Zumindest, wenn man es richtig angehen will. Man
beschreibt darin seine Vision, einen genauen Plan mit festen Zielen. Man analysiert
sein neues Arbeitsfeld, erforscht die Zielgruppe, erkennt die Konkurrenz, versteht
den Markt. Man schreibt den Businessplan für sich und seine Zukunft….Oder für die
Banken, Ämter und andere Investoren, die eventuell bereit wären, finanzielle
Unterstützung zu leisten. Ja, meistens ist es dann doch eher Letzteres. So
fühlt es sich anfangs zumindest an.
Vor circa zwei Monaten
stand ich vor der Frage, ob ich mich selbstständig machen will. Um die Antwort
auf diese Frage zu finden, wurde mir von der Agentur für Arbeit ein Job
Coaching ans Herz gelegt. Dort bekam ich die Antwort: "Klar, warum nicht?" Okay,
also warum nicht. Das Arbeitsamt stockt in diesem Falle das ALG 1 mit einem
Gründungszuschuss auf, welcher mir im Zuge dessen ebenso angeboten wurde. Der
Haken an der Sache war, dass der Antrag auf den Gründungszuschuss einen
Businessplan enthalten muss und die Deadline des Antrages zeitlich nur noch
drei Wochen entfernt war. Drei Wochen hören sich lang an, sie sind
es aber nicht. Das merkt man besonders in den Momenten, in denen man zu spät schlafender
Stunde einen blinkenden Cursor anstarrt, die Finger aber leider schon restlos
leer gezutscht sind und die Ärmel auch nichts mehr her geben.
Zum Glück gibt es Businessplan-Vorlagen
im Internet und in meinem Falle sogar einen Coach, der eine Vorlage mitbringt
und erklärt. Alle Unterpunkte sind mit Fragen gespickt, wenn ich die
beantworte, bin ich eigentlich schon fertig. Auf den ersten Blick sieht
das alles machbar aus. Wir sprechen gemeinsam alle Punkte durch.
Meine Geschäftsidee, mich selbst und meinen Werdegang beschreiben -
das krieg ich hin. Über die Zielgruppe kann ich mir Gedanken machen, Konkurrenz
finde ich im Internet und auf die Ausarbeitung eines Marketingkonzeptes freu
ich mich jetzt schon. Es kann also losgehen. Zu Hause öffne ich das Dokument…
Die 10 Stufen zum
Businessplan
Stufe 1: Absolute Überforderung
So ganz alleine fühle ich mich beim Anblick der vielen Fragen erschlagen. Ich
gehe meine Notizen durch, die gemeinsam mit meinem Coach noch so viel Sinn
ergeben haben. Jetzt weiß ich gar nicht mehr, wo ich anfangen soll. Ich beginne
willkürlich irgendwas zu googlen.
Stufe 2: Der
Motivationsschub
Ich schaffe das, schließlich weiß ich doch, was ich will. Es wird doch wohl
nicht so schwer sein, ein paar Fragen zu beantworten und damit 15 Seiten voll
zu schreiben. ZU SCHREIBEN. Hallo? Ich will Autorin sein. Ich beginne also mit
dem einfachsten – dem Abschnitt über die Gründerperson, also mir. So
hintereinander aufgeschrieben macht mein gesamter beruflicher Werdegang
hinsichtlich meines Vorhabens plötzlich großen Sinn. Ein guter Anfang.
Stufe 3: Was koste ich?
Weiter geht’s mit meiner Geschäftsidee, meinem Produkt, meiner Dienstleistung.
Ich will schreiben, konzipieren, kreieren. Nur leider ist es gar nicht so
einfach das in Worte - und noch schwieriger - in Zahlen zu fassen. Im
Businessplan einen Preis für seine Arbeit festzulegen ist das Eine, später voll
hinter seinem Preis zu stehen das Andere. Langsam wird mir klar, dass aus mir eine
Unternehmerpersönlichkeit werden muss, deren Arbeitsplatz sich im heimischen
Wohnzimmer befindet. Ob mein Standort, den ich zu einem späteren Zeitpunkt auch
noch genauer beschreiben muss, Segen oder Fluch ist, wird sich noch zeigen.
Stufe 4: Schlaflose Nächte
Während ich eigentlich schlafen und mein Hirn sich regenerieren sollte, wird mir
plötzlich ein gewaltiger Fehler in meinem Geschäftskonzept bewusst. Ich kann
mich nur schwer davon abhalten, diese Woge sofort aus dem bisherigen Businessplan
zu glätten. Gut schlafen kann man mit so einem hartnäckigen Gedanken im Kopf
aber auch nicht.
Stufe 5: Googlen, googlen, googlen
Wer ist meine Konkurrenz? Wie sieht der Markt
der freien Autoren aus? Wer genau ist meine Zielgruppe? Und warum finde ich darüber nichts im Internet? Dass
ich im Abschnitt „Konkurrenz“ gerade zum dritten Mal mein
Alleinstellungsmerkmal beschreibe, stört mich mittlerweile nicht mehr. Langsam
habe ich den Dreh raus, einen einfachen Satz, so weit zu verschachteln, dass er
mindestens drei Zeilen einnimmt und seine innere Kernaussage um einiges anspruchsvoller
klingt, als sie tatsächlich ist. Auf diese Weise fallen auch meine
Wiederholungen nicht so sehr auf, denn durch die Nutzung verschiedenartigster Begriffe
für denselben Inhalt, erreiche ich, dass die Seiten sich langsam aber sicher
füllen.
Stufe 6: Pause
Es ist Sommer und so schönes Wetter. Und außerdem hab ich keine Lust mehr auf
den Businessplan. Für das gute Gewissen höre ich beim Sonnenbad auf den Balkon
zumindest einen Podcast zum Thema: „Selbstständig machen“. 1:0 für das Arbeiten
zu Hause.
Stufe 7: Der Zahlenteil
Endlich wieder ein Treffen mit dem Coach. Es wird auch Zeit, denn so langsam
sind die 15 Seiten schriftlich befüllt und das Einzige was noch fehlt, ist der
Zahlenteil. Während wir gemeinsam die Tabellen meiner Umsatz- und Liquiditätsplanung
der nächsten 4 Jahre ausfüllen, fühle ich mich in den Mathematikunterricht
zurückversetzt und hoffe, dass das nicht in der Prüfung dran kommt. Als ich zu
Hause den Zahlenteil noch einmal schriftlich beschreibe und daraus Seite 16 und
17 entstehen, beginne ich langsam die Logik hinter dem Tabellen-Wirrwarr zu
verstehen. Das ist mir damals in Mathe nicht geglückt.
Stufe 8: Letzte Handgriffe
Während sich die Lücken des Businessplans füllen und aus den vielen Fragen vom
Anfang endlich Antworten geworden sind, die mir nun ordentlich formatiert und
in gleichmäßiger Schriftart- und größe vom Bildschirm entgegen scheinen, bin
ich frohen Mutes über mein Vorhaben.
Stufe 9: Panik
Fast fertig! Ich lese nochmal alles durch und stelle plötzlich meine gesamte Existenz
in Frage. „Werde ich tatsächlich davon leben können? Kann ich das, was ich anbiete
überhaupt? Ist meine Umsatzplanung realistisch? Wird mich irgendjemand für
meine Arbeit bezahlen wollen?“, denke ich und reiche den ausgedruckten
Businessplan zum Binden über die Theke des Copyshops.
Stufe 10: Geschafft!
Der Antrag ist abgegeben. Rien na va plus. Und auch wenn er abgelehnt wird,
weiß ich, dank der umfassenden Auseinandersetzung mit meinem Business dennoch, wo meine Reise hingehen soll. Ich bin trotzdem erleichtert, als ich
erfahre, dass der Antrag angenommen wurde.