Dinner for Two - oder: not the same procedure as every year





Dieses Jahr wird alles anders. Dieses Jahr feiern will Silvester allein. Ohne Party. Ohne Reisen. Ohne Stress. Nur mit uns. Mein Mann und ich. Ich und mein Mann, den ich ab jetzt, Achtung Vorsatz, der Einfachheit halber „Mo“ nennen werde, da ich mich so furchtbar alt und erwachsen fühle, wenn ich „Mann“ sage und mir nach „Gatte“ und „bessere Hälfte“ auch langsam die Synonyme ausgehen. 

Silvester allein also. Das vermied, nach den vollgepackten Weihnachtstagen, tatsächlich sehr viel Stress und sparte Zeit. Keine Überlegungen über mein Silvester-Outfit, keine Reiseplanungen, keine horrenden Ausgaben für ein großes Essen, Eintrittskarten oder Feuerwerksgedöns. 

Mein Silvester-Outfit, welches ich sonst bereits Wochen zuvor in meinem Kopf hin und her stylte, bestand aus einer Leggins und einem langen Wollpullover. Nicht einmal geschminkt habe ich mich. Wir verbrachten den letzten Tag des Jahres 2015 größtenteils im Bett und netflixten vor uns hin. Endlich mal „The Breakfast Club“ nachgeholt, nur irgendwie gar nicht so cool gefunden, wie immer gedacht. 

Um 19:00 schaltete ich wild durch alle Sender, um den Anfang von "Dinner for One" nicht zu verpassen. Als ich mich endlich mit der Fernbedienung in den hohen, zweistelligen Bereich des Fernsehprogrammes geklickt hatte, stolperte James bereits zum zweiten Mal über den Kopf des Tigerfells. Aber der Silvester-Abend wäre nicht der Silvester-Abend wenn der 90. Geburtstag nicht auch um 19:10 Uhr auf einem anderen dritten Programm gefeiert würde.  

Zum wohl dreißigsten Mal in meinem Leben schaute ich "Dinner for One" und es war das erste Mal, dass ich den vom Videotext angebotenen Untertitel dazu schaltete. Tatsächlich hatte ich über die Jahre nie komplett verstanden, was anfangs gesagt und später nur noch gelallt wurde. Um anschließend das neuerworbene Wissen zu komplettieren, informierte ich mich in Freddy Frintons Wikipedia-Eintrag über die Hintergründe dieses bekannten Sketches. Ich fand unter Anderem heraus, dass es auch eine Schweizer Version gibt. Eine kürzere. Aus einer anderen Perspektive. Sehr seltsam und einfach nicht dasselbe, wie ich einige Tage später auf You Tube feststellten konnte. 

Nach „Dinner for One“ wollten auch wir dinieren und so machte ich mich langsam ans Schmelzen des Käses für das Fondue. Die Betonung liegt hierbei auf langsam. Das gebratene Fleisch war mittlerweile schon wieder kalt, als der Inhalt des Fondue-Topfes endlich die gewünschte Käsigkeit erreicht hatte. Zum Fondue wurde der Film "Happy New Year" gereicht, der zeitgleich im Fernsehen lief und uns visuell schon ein wenig auf den Jahreswechsel einstimmte. Akustisch wurden wir schon seit dem Vormittag ins neue Jahr geschickt. Scheinbar wurden allerseits die teuer gekauften Knaller, Heuler und Böller ausprobiert. Vorsichtshalber. Damit man noch was nachkaufen kann, falls es nicht laut genug knallt. Feuerprobe - haha - bestanden, sag ich mal. Es war laut genug.

Gegen 23 Uhr war es Zeit einen Mantel übers Joggingoutfit zu werfen und mit einer Flasche Sekt im Bottlebag in Mo’s Büro zu fahren. Der siebte Stock des Bürogebäudes bot eine ganz passable Draufsicht auf all das, was sich bald abspielen würde. Beziehungsweise bereits abspielte, denn schon eine Stunde vor Mitternacht kam der Himmel keine Sekunde ohne einen Feuerwerkskörper aus. 

Ich habe wohl zu viele Horrorfilme gesehen oder Videospiele gespielt, die in verlassenen Häusern spielen. Als Mo kurz und ohne mir Bescheid zu geben auf dem Klo verschwand, überkam mich so ganz alleine eine bizarre Angst, ein bewaffneter Fremder würde sich leise hinter mir anschleichen und mich kaltblütig und feige erschießen oder gegebenenfalls meinem zum Rausgucken weit aus dem Fenster gelehnten Körper einen kleinen Schupps geben. Auch als Mo wieder da war, schaute ich mich immer mal wieder um und inspizierte die Ecken des großen Büroraumes. War aber nie jemand da. 

Auf dem Bildschirm feierten Caught in the Act ihr Comeback am Brandenburger Tor. Sogar Rednex war da und sang sehr wahrscheinlich in völliger Neubesetzung den „Cotton Eye Joe“. Dennoch klang es verdächtig genauso, wie auf meiner alten Bravo Hits Best of `94 Kassette. Wir füllten ein Schlückchen Sekt in die mitgebrachten Gläser und fragten uns, ob sich das Feuerwerk da draußen tatsächlich noch steigern konnte. Eine durchschnittliche Countdown-Länge später, sahen wir die Antwort. Das Feuerwerk verdreifachte sich vor unseren Augen und Kameralinsen. „Caught in the Act“ sang uns erneut mit einem Medley aus den 90ern ins Jahr 2016. 

Nach wenigen Minuten war von der schönen Aussicht nicht mehr viel übrig. Qualm und Nebel lag über der Stadt. Wir wollten jetzt auch wie der Nebel sein. Wir wollten auch liegen. Langsam waberten wir an knallenden Knallern und heulenden Heulern vorbei, immer in der Hoffnung, dass die Knallwütigen noch bei Sinnen waren und fahrende Autos nicht attackierten. Szenen, die ich sicherlich aus bösen Filmen und Videospielen, kannte.

Mit dem restlichen Sekt und Weintrauben kuschelten wir uns zurück ins Bett und lauschten den Knallern, Böllern und Heulern und Heulern und Böllern und Knallern... Wenn das ganze Knallen tatsächlich in irgendeiner Weise etwas damit zu tun hat, dass böse Geister vertrieben werden, dann kann 2016 ja nur ein glorreiches Jahr werden.




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