Ice Bucket Challenge - oder: Maaaaaan, wie mich das nervt


Ich habe mir gerade einen Eimer mit eiskaltem Wasser über den Kopf gekippt. Im Moment weiß wohl jeder, warum ich das getan habe, in ein paar Jahren werden sich alle nur noch dunkel an das derzeitige Social Media-Massenphänomen namens "Ice Bucket Challenge" erinnern, mittlerweile ein sehr polarisierendes "Event".

Eigentlich soll damit ja auf die Krankheit ALS aufmerksam gemacht und Spendengelder gesammelt werden. Aber ist das Ganze nicht mittlerweile gekippt? Kommt diese Aktion nicht nur der narzisstischen Menschheit entgegen, die sich auf Facebook und anderen Kanälen profilieren will? Ist es nicht unfassbar überheblich, dass wir eimerweise - im wahrsten Sinne - sauberes Trinkwasser vergeuden, während in Afrika Menschen verhungern und verdursten?? Was bilden sich die Leute, die mich nominiert haben, eigentlich ein, mich zu einer solchen peinlichen Aktion zu zwingen??? Darf ich nicht mehr selbstbestimmt für mich entscheiden, was ich tun will und was nicht???? Äh. Doch. Und bei der Gelegenheit können sich die, die gerade beim Lesen zustimmend genickt haben, direkt mal den Stock aus dem Gesäß ziehen.

"Da ist ja nicht mal Eis drin"

Gerade erschien in meinem Facebook-Newsfeed das Video einer Frau, die mit ernster Miene irgendwas davon erzählt, es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren zu können, sich einen Eimer Wasser über den Kopf zu schütten. Ihrer Meinung nach ist aus dem eigentlich ernsten Thema, alberner Spaß geworden. Meine Güte, ein Wassereimer. Es nominiert dich niemand zur Nierenspende. Ich finde es furchtbar anstrengend, wenn bei derartigen Aktionen, immer wieder Stimmen laut werden, die mit Zornesfalte auf der Stirn und erhobenen Zeigefinger, anderen den Spaß verderben. Denn wenn nicht das Gießen an sich kritisiert wird, dann zumindest, dass da "viel zu wenig Wasser im Eimer" war oder "noch nicht mal Eis."  

Mit Hilfe der Ice Bucket Challenge wurden innerhalb weniger Wochen über 94 Millionen Dollar (Stand: 27.8.2014) Spendengelder gesammelt, was ohne die Aufmerksamkeit im Social Media wohl niemals in so kurzer Zeit möglich gewesen wäre. Anstatt sich darüber zu freuen oder einfach den Mund zu halten, wird akribisch nach dem Haar in der Suppe gesucht und sich neben Wasserverschwendung und dem Selbstdarstellungsdrang anderer dolle darüber aufgeregt, dass jetzt aber die anderen bösen Krankheiten der Welt gar keine Aufmerksamkeit mehr und somit auch keine Spendengelder bekommen. 

Ich selbst habe noch nie etwas gespendet, höchstens Klimpergeld oder Pfandflaschen an einen Obdachlosen. Ansonsten gehe ich immer schnurstracks, ohne eine Miene zu verziehen, an den organisierten Spendensammlern vorbei und vermeide gekonnt jeden Blickkontakt - einfach aus dem Grund, weil mir mein meistens nur 3-stelliger Kontostand es nicht erlaubt hat mal großzügig zu sein. Durch die Veröffentlichung des Eiswassereimer-Videos, habe ich gespendet, denn... wer will schon öffentlich lügen? Und ganz bestimmt haben mir das viele andere gleich getan und haben sich nicht nur aus Geltungsdrang das Wasser über den Kopf geschüttet. 

Ein Barbie Haus als Inbegriff des Sexismus?


Über Ähnliches musste ich mich vor ein paar Monaten aufregen, als für kurze Zeit ein lebensgroßes Barbie-Dreamhouse in der Nähe des Alexanderplatzes errichtet wurde. Dort drin gab es eine multimediale Barbieausstellung, lebensgroße Wohnbereiche und natürlich abertausende Barbiekleider zu bewundern. Für die Einen der Traum eines jeden Mädchens, für die Anderen der Inbegriff von Sexismus und Frauenfeindlichkeit. Hä? Hab ich was verpasst? Ja, Barbie ist sehr dünn und blond, aber auch ein Spielzeug, mit dem ich sehr gerne gespielt habe, während ich Schokoriegel, Eis und Gummibärchen in mich reingestopft habe. Ich glaube, dass ich als Kind nicht mal gemerkt habe, das Barbie übertrieben dünn ist und ich nicht einen Gedanken daran verschwendet habe, auch so aussehen zu wollen. Darauf kam und kommt es einfach nicht an. Ich habe meiner Barbie eine tolle Wohnung eingerichtet, in der sie mit einem muskulösen, aber auch liebevollen Ken (der sich irgendwann leider durch einen Unfall seinen Arm irreversibel ausgekugelt hat), ihren zwei Kindern und den Bobtails lebte. Barbie hatte einen tollen Job, war erfolgreich und hatte wunderschöne Outfits. Alle, die darin nur Sexismus sehen, haben noch nie ernsthaft mit Barbie gespielt, sondern wahrscheinlich nur mit biologisch abbaubaren Holzbausteinen, Murmeln (Vorsicht! Verschluckgefahr!) und realitätsnahen Leinenstoffpuppen mit Migrationshintergrund. Außerdem ist auch der Fakt nicht zu verachten, dass Mädchen nicht nur einzig von Barbie erzogen werden, sondern ihre Eltern da auch noch ein Wörtchen mitzureden haben. Sollten sich Kinder so sehr von ihrem Spielzeug beeinflussen lassen, dass sie anfangen sich den Finger in den Hals zu stecken, dann ist da wohl noch einiges mehr schief gelaufen. Ähnliches gilt auch für die sogenannten "Ballerspiele", aber damit fange ich jetzt gar nicht erst an. 

So gehen die Gauchos


Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich mag Gemeinschaftsgefühl. Deswegen mag ich auch Musicals und FlashMobs, weil da alle so schön zusammen tanzen und singen. Ist das nicht auch der Grund, warum man zum Beispiel bei der WM zum public viewing geht und die Fähnchen ans Auto hängt? Und während sich der Großteil der Deutschen über den langerwarteten WM-Sieg der Nationalmannschaft freut, sitzt der schlechtgelaunte Miesepeter irgendwo, wo er bitte nichts von diesem "Radau" mitbekommt und sich ungestört über den seit Wochen vorherrschenden Fake-Nationalstolz ärgern kann. Anschließend wird noch bitterböse über die peinliche Siegesfeier gebrabbelt - Stichwort "Gauchos". 
Ich hingegen werde wohl noch lange an den Abend im Pub und die sieben unglaublichen Momente zurück denken, in denen ich mich langsam, aber sicher in einer großen "Versteckte Kamera" World Wide Edition glaubte. Ich bin kein großer Fußball-Fan, auch kein saisonaler, aber dieser Abend war trotzdem besonders. Nicht zuletzt wegen meiner kurzzeitigen, wenn auch irrealen, Fähigkeit des Hellsehens. Circa 10 Sekunden vor dem nächsten Tor vernahm ich ein kaum spürbares Brodeln und Vibrieren, schaute dann ungläubig auf die Leinwand und sah wenige Momente später tatsächlich ein Tor.  Das passierte, wir erinnern uns FAST alle, 4 mal direkt nacheinander. Das Brodeln kam vom Public Viewing aus der Bar die Straße runter, die Dank Kabelfernsehen schon etwas früher jubeln konnten. Alle, die man anschließend aus Bars torkeln oder in der U-Bahn erschöpft Heim fahren sah, konnten an diesem Abend etwas aufregendes in ihr Tagebuch schreiben und viele werden wohl noch ihren Enkelkindern vom 7:1 berichten, so wie Millionen andere WM-Zuschauer weltweit. 

Genauso ist es doch jetzt auch mit der #icebucketchallenge und ich freue mich, dass ich jetzt etwas mit Leonardo DiCaprio und Justin Timberlake gemeinsam habe...oh, ich muss direkt mal schauen, ob sich auch Zac Efron schon mit Wasser übergossen hat....jaaaa, hat er natürlich. Es ist doch viel schöner, sich durch etwas Positives in irgendeiner Art verbunden zu fühlen, als durch gemeinsamen Hass.

Negative Vibrations

Diese Negativität, die manche Mitmenschen scheinbar bis zur Oberkante Unterlippe stehen haben, begegnet mir leider oft im Alltag und scheint bei den meisten nur wenig Anlass zu benötigen, um überzuschwappen. Das beginnt manchmal schon morgens auf dem Weg zur Arbeit. Ich stehe an der Straße und warte darauf, sie zu überqueren. Ein Radfahrer kommt schnellen Trittes angefahren, ein Autofahrer will abbiegen und sieht den Radfahrer scheinbar zu spät. Sei's drum wer "Schuld hat", auf jeden Fall müssen beide überraschend bremsen und geben danach die Top 3 ihrer Lieblingsschimpfworte zum Besten. Ich stehe als unbeteiligter Augenzeuge daneben und kriege die ganze negative Energie ab. Somit haben wir alle drei einen scheiß Start in den Tag.

Selbe Stelle, anderer Morgen. Ich will wieder die Straße überqueren und neben mir ist eine Radfahrerin, die, wie ich vermute, nach links abbiegen will, aber dann doch nach rechts fährt, was bedeutet, dass wir fast kollidieren. Ich sage: "Huch." Sie sagt: "Oh, Entschuldigung, ich hab Sie gar nicht gesehen." Ich sage: "Ich dachte, Sie wollen nach links. Sorry." Sie: "Entschuldigung. Schönen Tag noch." Bam! Der Tag beginnt mit einer netten Unterhaltung unter Fremden. Mit freundlichen Worten ist allen so viel mehr geholfen, als mit einer schroffen "Alle sind doof"- Einstellung. 

Ich bin mir der Ironie bewusst, dass ich mich mit diesem Blogeintrag negativ über diejenigen äußere, die sich immer negativ äußern. Ich gebe damit aber gerne einen Denkanstoß nicht immer alles direkt zu politisieren, zu ernst zu nehmen oder allgemein alles was Mainstream ist, erstmal doof zu finden. Das kann man schon mal üben, denn das wird in unserer medialen Gesellschaft mit der Zeit sicherlich nicht einfacher. 
Falls mein Geschriebenes auf taube Ohren getroffen ist, bin ich zumindest meinen persönlichen Frust losgeworden, der durch die Reaktionen auf die #icebucketchallenge resultierte und sich noch vom Barbiehaus angestaut hatte. 

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